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Kling, klang, klong


Offenheit allenthalben: Der Chef der neuen Berliner "MaerzMusik", Matthias Osterwold, hatte bei einem Begrüßungsempfang im Haus der Berliner Festspiele sein Ziel schon ganz richtig beschrieben. Nicht für die Szene, der man bei Neue Musik-Veranstaltungen sonst begegnet, wolle er sein jährliches Festival machen, sondern für alle Szenen der Stadt. Plural also und Pluralismus. Auch vom Terminus "Neue Musik" ist man abgerückt. "Festival für aktuelle Musik", das lädt einem die Frage auf, welche Musik nicht nur zufällig in unserer Zeit, sondern auch "an der Zeit" ist. Prompt ist man mitten drin in einem Heidegger-Problem.
Man muss aber nicht alle Fragen beantworten. Einfach wirken lassen wollten auch zahllose Konzertkunden in der "Langen Nacht der chinesischen Musik". Dass die Wasser des Jangtsekiang gestaut werden müssten, konnte man nach Überschwemmungen durch all jene Seiden- und Bambusmusiken, durch "China Avant Pop" und Meditationen über wujing, qingjing und yijing (Materie, Ausdruck und Gehalt) nicht wirklich bestätigen. Hier fließt alles so wunderlich und traditionsvenrmittelt voran, mischt Duftwasser von Debussy in den Tee und lobt mit der P'i-p'a-Laute die Frühlingsrolle, pardon, das Frühlingsopfer Strawinskys, dass einem nie bange wird. Das Wunder der zwiegebackenen Kulturvermittlung bestand in der Entspanntheit, mit der hier, etwa in Chen Qigangs "Poeme Lyrique II", Stauungen nachlassen - und Einflüsse des Westens zuströmen. Und wie im gleichen Atemzug die atonale westliche Speerspitze mit Jasminblüten bekränzt wird. Interkulturelle Entkrampfungen, die auf verkopfte europäische Musik wohltuenden Einfluss haben könnten.
Das Nieuw Ensemble Amsterdam (Leitung: Ed Spanjaard), der China Found Music Workshop Taipeh (Leitung: Huang Chen-Ming, Wu Chung-Hsien) und das Thundercloud Project sorgten für einen großartigen Anfang der neuen "MaerzMusik". Wenn jetzt noch der Konzertsaal der Universität der Künste so schallisoliert wird, dass man nicht alle Foyergespräche auch drinnen verfolgen kann, ist die Neue Musik in Berlin auf bestem Wege. Eins zu null für Herm Osterwold.

Kai Luehrs-Kaiser, Die Welt, 15.3.2002



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